Vor einigen Tagen bin ich das erste Mal von einem Patienten in Berlin auf die Berichte über die Vorwürfe des Abrechnungsbetrugs und der fehlerhaften OP-Indikationen aus dem Oktober 2022 angesprochen worden. Die Frage wurde mir höflich und zurückhaltend nach der Behandlung gestellt. Dabei habe ich gemerkt, dass ich auf eine solche Antwort gar nicht vorbereitet bin. Ich habe kurz von dem laufenden Verfahren und meinem Vertrauen in die Staatsnwaltschaft gestottert, aber auch davon, dass ich in den vergangenen 9 Monaten noch nicht einmal befragt worden bin. Dass sich eine inhaltliche Stellungnahme sowieso verbietet, um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht vorwegzunehmen, die nun einmal die Suche nach der Wahrheit in der Hand hat. Und so war es der Patient, der mich mit der Aussage, es sei ihm ohnehin egal, denn ich sei ja scheinbar ein guter Arzt, etwas getröstet hat. Seinen Kommentar, dass ich nun wieder ganz von vorne anfange, konnte ich nicht von der Hand weisen. Mir sind zwar meine Vorstellungen, mein Wissen und Können geblieben. Die Struktur der Klinik und Praxen in Leipzig und Umgebung, des interdisziplinären Teams von Ärzten, Therapeuten und Mitarbeitern ist hingegen für immer Geschichte. Und mit jedem Monat Abstand wird mir klarer, welchen Wert wir aus Leipzig heraus in den vergangenen 15 Jahren aufgebaut haben und dessen Zerstörung ich nicht verhindern konnte.
Es waren nicht nur die Vorwürfe des Mitteldeutschen Rundfunks und der Staatsanwaltschaft, sondern vor allem auch die Entscheidungen des späteren Eigentümers, welche -mangels Kenntnis, Mut und Visionen- Kopfzentrum zu einem herkömmlichen MVZ gemacht hat. Nachdem mehr als 70% der Ärzte nach meinem Ausscheiden den Betrieb verlassen haben, wurden die Praxen in Colditz, Machern, Berlin, Dresden für immer abgegeben. Die ACQUA Klinik, das qualitative Herzsstück des Betriebes wurde stillgelegt, die Qualitätsssicherung abgeschafft und das ausgeklügelte Trainingsprogramm eingestampft. Von den Ansprüchen an international renommierte Ärzte ist nichts mehr übrig. Alle Entwicklungsprojekte und OP-Kurse wurden gestoppt. Nicht eine einzige hochkomplexe HNO-OP, wie ein Cochlea Implantat wurde seit Oktober 2022 noch einmal durchgeführt. Da scheint die Suche nach einem neuen Namen vielleicht nicht so wichtig, aber immerhin konsequent.
Ich weiß nicht vorherzusagen, welchen Einfluss die Entfernung von Kopfzentrum aus dem Markt auf die medizinische Versorgung in Leipzig und Umgebung haben wird. Der Einfluss staatlich subventionierter Kliniken wird sich sicherlich wieder stärker bemerkbar machen, die qualitative Zersplitterung der selbstständigen Ärzte wird sich kaum verbessern. Vielleicht werden aber andere Bundesländer und Regionen zeigen, dass es anders geht und mit Visionen, Mut, Vielfalt, einem respektvollen Wettbewerb und Kollegialität so etwas wie eine Vision für das ambulante Gesundheitswesen am Leben erhalten werden kann.